Seit der ersten Klasse lernen die Kinder im Alter von neun und zehn Jahren Französisch. Ihre Schule in Reinheim ist eine von vier bilingualen Grundschulen im Saarland: Sachunterricht, Musik, Sport und Kunst und natürlich Französisch werden in der Fremdsprache unterrichtet. Die Crêpes gibt es, weil sie in Frankreich am 2. Februar traditionell zum Feiertag „Le chandeleur“ (Lichtmess) gegessen werden. Nicht nur Sprache, sondern auch Sitten und Bräuche des Nachbarn sollen vermittelt werden.
Dichter an Frankreich als in Reinheim geht es kaum: Direkt hinter dem Sportplatz beginnt das lothringische Bliesbruck. Viele Vereine in beiden Ländern sind Kooperationen eingegangen, auch deutsche und französische Kommunalpolitiker stehen in regem Austausch. An der Partnerschule in Sarre-Union können die Schüler mit Gleichaltrigen Französisch sprechen – umgekehrt werden die jungen Franzosen auch auf Deutsch unterrichtet.
„Die Unterstützung der Eltern, die Schule zum Schuljahr 2009/2010 zweisprachig auszurichten, lag bei fast 100 Prozent“, erinnert sich Schulleiterin Susanne Albrecht.
Pro Woche haben die Kinder in Reinheim mehr Unterricht als Gleichaltrige. „Wir haben den kompletten Stundenplan einer normalen Grundschule, plus Französisch“, erklärt Albrecht. Von dem Konzept profitieren ihrer Erfahrung nach alle Schüler, auch die schwächeren: „Es ist wie beim Erwerb der Muttersprache. Jeder lernt in einem unterschiedlichen Tempo und bevor sie anfangen, Sätze zu bilden, fangen sie an, die Fremdsprache zu verstehen.“
Die Schilder in der Grundschule sind zweisprachig. Aus dem „Salle des profs“ – dem Lehrerzimmer – schwappen deutsche und französische Sätze, denn auch das Lehrerkollegium ist binational. Neben zweisprachigen Lehrern, gibt es eine Muttersprachlerin. Isabelle Herdrich ist über das Lehreraustausch-Programm zwischen dem Département Moselle und dem Saarland gekommen.
In Klasse 1b muss die Lothringerin vollen Körpereinsatz zeigen. Gemeinsam mit den Kindern tanzt und singt sie zu französischen Liedern. „Comment ça va?“, schallt es aus 20 Kehlen. Gestenreich spricht Hertrich zu den Sechs- und Siebenjährigen, damit diese das Gesagte verstehen können. „Je ferme les yeux“ sagt sie und bedeckt ihre Augen mit den Händen. Die siebenjährige Felicia tut es ihr gleich. „Ich mag am liebsten die Lieder, die singe ich auch Zuhause“, erklärt sie.
„Alle diese Kinder haben zweisprachige Kindergärten besucht. Da wurde tolle Vorarbeit geleistet“, sagt Schulleiterin Albrecht. „Die Kinder tauchen hier in ein Sprachbad ein und irgendwann übernehmen sie es.“ Erst in der weiterführenden Schule eine Fremdsprache zu erlernen, sei ihrer Meinung nach zu spät.
In der dritten Klasse kommen zum Sprechen und Verstehen Grammatikübungen und die Schriftsprache hinzu. Bereits in der dritten Klasse legen die Schüler das Sprachzertifikat DELF-Prim ab, ein Jahr früher als vorgesehen. Damit die Sprachkompetenz nach der Grundschule weiter gefördert wird, gibt es nun entsprechende Vereinbarungen mit weiterführenden Schulen. Im Grenzgebiet kann Zweisprachigkeit bei der Jobsuche helfen, zudem fördert der frühe Erwerb einer Fremdsprache die kreativen Fähigkeiten der Kinder, finden die Lehrerinnen. „Es ist sehr wichtig, den Nachbarn und seine Kultur zu kennen“, sagt Susanne Albrecht. Sie sieht in der bilingualen Schule auch einen Weg für die Völkerverständigung, damit es nie wieder zu einem Krieg zwischen Frankreich und Deutschland kommt.
HintergrundSeit dem Schuljahr 1992/93 ist Französisch-Unterricht im Saarland für alle Schüler der Klassenstufen 3 und 4 im Umfang von jeweils zwei Jahreswochenstunden verpflichtend. Mit dem Schuljahr 2000/01 wurde mit einer Erweiterung der frühen Fremdsprachenarbeit auf die Klassenstufen 1 und 2 an jenen Grundschulen begonnen, in deren Einzugsgebiet zweisprachig arbeitende Kindergärten liegen. Aktuell nehmen rund 40 von insgesamt 160 Grundschulen an diesem Schulversuch teil. ukl